Boston 2003
Ein Marathon mit langer Tradition findet jeweils am 3ten Montag im April dem Patriots Day in Boston statt. Beim diesjährigen 107ten Lauf waren von den 20223 gemeldeten Teilnehmern 'nur' 17567 angetreten. Da der Start in einem kleinen Dorf auf der Dorfstraße stattfindet (22feet wide) dauerte es mit meiner Startnummer 7699 ganze 4 Minuten, bis ich die Linie überqueren konnte. Zuvor aber einige ungewohnte und gewohnte Erlebnisse:
Anmeldung und Marathonexpo:
In einem Messezentrum, gut zu erreichen, kurze Schlangen bei
Startnumernabholung und Shirtausgabe. Die Schuhpreise dank des günstigen Dollarkurses
phänomenal gut, die Laufklamotten etwas bunter als bei uns. Auffallend die vielen Stände
mit Riegeln, die kostenlos verteilt wurden (ganze verpackte Riegel, nicht nur
abgeschnittene Stückchen).
Frühstückslauf:
Hier als FreedomRun mit ca. 3000 Teilnehmern geht es queer
durch die City, am TV-bekannten Cheers Pub, einer vergoldeten Kuppel und weiteren
Denkmälern vorbei zurück zum Expogelände. Das Frühstück aus Saft, Jogurt, Apfel,
Banane, Bagel und Wasser (kein Kaffee) war gut und reichlich und konnte in der Sonne
genossen werden.
Wer möchte kann sich hernach für 25 $ im Reisebus die Strecke ansehen. Dabei werden interessante und lustige Geschichten erzählt und wohl auch praktische Tipps gegeben. Je nach Grundeinstellung kann man hier Respekt vor den Hügeln bekommen oder verlieren.
Vor dem Start:
Zwischen 6:30 und 8:30 findet man sich nach Startnummer
aufgeteilt am Boston Common wieder, wo gelbe Schulbusse zu besteigen sind, die einen in
einer knappen Stunde nach Hopkinton zum Startgelände bringen. Auf einer Wiese
eingepfercht und von Scharfschützen auf den Dächern und unter den Läufern 'bewacht und
beschützt' gibt es hier Kaffee, Bagels, Wasser, Gatorade und Power Bars - schließlich
ist der Start erst um 12:00 Mittags, wenn die Sonne am höchsten steht. Genau das wurde
dann auch mein Problem, denn vor lauter Wärme bin ich doch ohne T-Shirt losgelaufen und
jucke noch heute die Hautfetzen von meinen verbrannten Schultern. Irgendwann bewegt sich
die Meute in Richtung Startlinie - das ganze Dorf steht auf dem Kopf und feiert mit. Dann
wird die Nationalhymne gesungen und 2 StarFighter fliegen in 4 Minuten von der Startlinie
zur Ziellinie in Downtown Boston.
Der Lauf:
Schön gefällt mir, wie es von den kleinen Orten durch
Waldstücke, am See vorbei in Richtung Stadt geht. Ab Framingham verläuft eine Bahnlinie
parallel, so dass noch mehr Angehörige die lokale Zuschauerschar ergänzen. Und in der
Stadt selbst ist es dann wie auf den letzten Hamburger oder Berliner Kilometern, nur das
es hier stetig bergab geht, sodass man die verbliebenen Kräfte noch gut umsetzten kann.
Ebenso bergab gehen die ersten 10 km - da heisst es aufpassen und die Kräfte einteilen.
Genau das mahnt aber auch der Caller einer lokalen Square Dance Kapelle: 'Runners choose
your pace and choose it well. Don't go too fast, don't go to hell.' Überhaupt gab es
einige Bands und Gruppen, die an der Strecke Musik machten und für die Herren natürlich
als HM-Highlight die lustigen Mädchen am Wellesley College.
Im Ziel:
Hier gibt es eigentlich keine amerikanischen Besonderheiten.
Der ChampionChip ist noch nicht so verbreitet wie bei uns, daher gab es die Medaille nur,
wenn man den schwarzen Leihchip vorher abgegeben hatte. Danach die
Glitzerfolienwärmedecke gegen den kalten Wind, Wasser und Saft, Obst und einen
Müsliriegel. Nach dem Abholen des Klamottenbeutels aus einem gelben Schulbus warteten in
der Meeting Area unter dem Buchstaben W schon Colin und Hugh auf mich, dazu kamen später
Jack, Betty, Peter und Candy und nach einigen Freudenfotos schickte ich die Familie mit
den nassen Klamotten heim um mit den Schotten auf die Suche nach einem Weizenbier zu
gehen.
Der Familie übrigends herzlichen Dank, hatten sie mir doch hinterm Cleveland Circle (mile 23) noch einmal etwas Eigenverpflegung gegeben und mich kräftig angefeuert und vor allem sich in das wuselige Wirrwarr überfüllter Straßenbahnen und die wilde Meute im Zielbereich begeben - ein für einen durchschnittlichen Amerikaner absolut ungewöhnliches Verhalten. So macht Marathon Spaß: wenn man dabei auch anderen etwas von der Begeisterung abgeben kann und ein wenig Verständniss rüberbringt, warum Laufen so toll ist und warum gerade die 42km so etwas besonderes sind. Nachzutragen wäre hier, dass sie sich noch 2 Tage über meine Duck-Walk-Schritte freuten, die in der Stadt aber auch bei anderen Personen zu sehen waren.
Hugh, Sabine W. und Colin...
made by Sabine W. ®, im Mai 2003