Doppelpremiere oder

Wie es beim ersten Mittelrhein-Marathon zu meinem ersten Marathon-Sieg kam.

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Angemeldet hatte ich mich für diesen Marathon schon im November 2004, sobald ich von der neuen Veranstaltung hörte. Ich fand die Idee, in dieser wundervollen Gegend am Rhein entlang, vorbei an Burgen und Schlössern, einen Marathon zu organisieren toll. Dann lange nicht mehr dran gedacht, bis es Zeit wurde, mit der Vorbereitung anzufangen (7 Wochen vorher). Meine Bestzeit vom letzten Frankfurt-Marathon lag bei 3:23:31, also galt es jetzt, die 3:20:00 anzuvisieren. Einen bewährten Trainingsplan fand ich nur für 3:15:00, also nahm ich den, wandelte ihn teilweise nach Gefühl etwas ab. Anfang Juni kamen dann nähere Informationen: Startnummernausgabe, Marathonmesse und Ziel in Koblenz, am Deutschen Eck, Start in Oberwesel. Von Koblenz nach Oberwesel mit Sonderzügen‚ Abfahrt 7:10 Uhr. Kann man da in aller Herrgottsfrühe mit dem Auto hinfahren, oder ist es besser am Vortag schon anzureisen? Ich entschied mich erst knapp 2 Wochen vorher, doch lieber ein Zimmer zu buchen. Es gab noch eins direkt am Hauptbahnhof, wie praktisch. Der große Tag rückte näher, gemeinsam mit einer Schönwetterfront. Passtschon-Wetterfrosch Frank kündigte für den Sonntag 32°C im Schatten an, ich hoffte auf einen plötzlichen Wetterumschwung. Am Samstag, den 18.Juni war es dann so weit. Um 17.30 Uhr fuhr meine bessere Hälfte, Sponsor und Betreuer Ralf mit mir nach Koblenz zum deutschen Eck. Startunterlagen und Marathonmesse gab es in einem großen Zelt, anschließend zum Hotel, einchecken. Den Abend verbrachten wir in einem gemütlichen Weinlokal am Rhein, ich aß noch einen Salat, obwohl meine Vor-Marathon-Carbo-Loading-Phase eigentlich schon abgeschlossen war.  Früh ins Bett, auch gut geschlafen, aber als der Weckdienst um 5.30 Uhr anrief, trotzdem nicht ausgeschlafen gewesen. Ich wankte in Richtung Frühstückszimmer, das Hotel (Hohenstaufen) hatte netterweise für die Marathonteilnehmer bereits ab 5.30 Uhr Frühstück bereitgestellt. Aber was isst man um viertel vor sechs morgens vor einem Marathon in einem Hotel, wenn der Start um 9:20 Uhr sein soll? Ich entschied mich für 2 Schinkenbrote und anschließend ein weißes Brötchen mit Butter und Marmelade, was bei mir eigentlich als „Insulin-Mast“ verpönt ist. Mein Tischnachbar, ein nicht mehr ganz junger Mann, der bereits in seinen Inliner-Anzug gepresst war, hatte sich für die Nutella-Variante entschieden. Manch ein Frühstücksgast in kurzen Hosen und Laufschuhen transportierte gar Rührei auf seinem Teller. 2 ½  Tassen Kaffee sollten reichen, obwohl der Entwässerungseffekt von Kaffee neuerdings umstritten scheint, und ich als Tiefdruckler morgens ohne eine größere Dosis gar nicht wach werde. Nach dem Frühstück anziehen, Startnummer festpieksen, Fahrkarte nicht vergessen und nach gegenüber zum Hauptbahnhof. Auf dem Bahnhofsvorplatz wimmelte es schon von bunten Läufern und Skatern, dicht gedrängt gingen wir zum bereitstehenden Sonderzug. Die Fahrt dauerte 30 Minuten, man konnte schon mal die Strecke in entgegen gesetzter Richtung begutachten, die bereits gesperrte B9. In Boppard liefen sich gerade die Halbmarathonläufer warm, diese starteten bereits um 7.45 Uhr.  Oberwesel ist ein malerisches Örtchen mit Burggemäuer und Weinkönigin, wie es sich für die Gegend gehört. Nur die  gigantische Lautsprecheranlage, der Sprecherturm, die Dixieklos und die riesigen LKW für die Kleiderbeutel direkt am Rhein deuteten auf ein besonderes Ereignis hin. Jetzt hieß es auf den Start warten, noch schön viel trinken, an den Klohäuschen anstehen und dann bloß nicht reingucken, schließlich den Kleiderbeutel am richtigen LKW abgeben. Ein gutgelaunter Moderator verkündete zwischendurch, dass 4590 Marathon-Teilnehmer  gemeldet seien, dass es einen wunderschönen Sonnentag mit strahlendblauem Himmel und 32°C im Schatten geben würde, aber auch Getränkestationen alle 2,5 km. Während das gegenüberliegende Ufer im Schatten lag, fing auf unserer Seite um 9:10 Uhr, als die Skater starteten, die Sonne bereits an zu brennen. Mir schwante, dass das mit der neuen Bestzeit schwierig werden könnte, aber deswegen erstmal langsamer angehen? Nicht unbedingt meine Stärke. Am rechten Handgelenk hatte ich die Zwischenzeiten für 3:20 und ich stellte mich, nachdem die Skater weg waren in meinem Startblock recht weit vorne hin.  Endlich der Startschuss, los ging es. Locker und beschwingt, mit Blick auf die tolle Rheinlandschaft, die Loreley war schnell vorbei. Meine Zeiten waren gut, pendelten zwischen Endzeit 3.20 (4:44 min/km) und Endzeit 3:15 (4:37min/km), die Strecke ist keinesfalls eben, sondern es geht ständig entweder bergauf oder bergab und es gibt fast keinen Schatten. Kurz vor km 20 hörte ich einen kleinen Jungen neben der Strecke sagen „6 Frauen!“ und schloss daraus, dass ich wohl die sechste Frau sein müsse. Kurz darauf lief ich auf die fünfte auf, überholte und erreichte direkt anschließend die vierte und schließlich die 3 an der Spitze liegenden. Vor der ersten fuhr eine Radfahrerin. Hatte die einen Tempomacher mit Fahrrad dabei? Darf man das? Noch näher heran gelaufen, erkannte ich an der Radfahrerin das graue T-Shirt des Organisationsteams, demnach musste sie das „Führungsfahrzeug“ für die erste Frau sein. So weit vorne war ich noch nie, und was jetzt?  Ich beschloss, hinter der ersten zu bleiben, ein wenig auszuruhen und abzuwarten. Es folgte ein Bergabstück im Schatten!!!!!!!! So viel Schatten hatte es auf der ganzen Strecke noch nicht gegeben, aber die führende Frau vor mir machte keine Anstalten schneller zu werden. Was jetzt? Ohne lange zu überlegen überholte ich und ließ es erstmal schön laufen, die Radfahrerin, jetzt vor mir, ließ es rollen und ich versuchte, mir darüber klar zu werden, was ich da gerade gemacht hatte. Ich führte zur Halbzeit die Frauenkonkurrenz eines Marathons an. Was, wenn ich von etlichen Konkurrentinnen, die sich die Strecke intelligenter eingeteilt hatten überrannt würde? Wäre das nicht unheimlich peinlich? Ein Van mit offener Heckklappe und einem Photographen darin setzte sich vor mich und blieb eine Weile. Andererseits war ich sehr stolz auf mich und sehr beschwingt. Meine Stoppuhr zeigte, dass ich für den vorherigen Kilometer ganze 4:03 Minuten gebraucht hatte. Wenn sich das mal nicht rächte. Ab km 25 fiel es leicht, das Tempo wieder einzukriegen, bei Kilometer 30 würden meine Probleme richtig anfangen. Der ließ nicht lange auf sich warten, mittlerweile war es drückend heiß, ich hatte ein starkes Durstgefühl. Die Getränkestationen waren reichlich, aber sehr kurz. Es gab einen Meter Apfelschorle, gefolgt von einem Meter Leitungswasser, zuletzt einen Meter Mineralwasser und 3 Bütten Schwammwasser - Ende. Man musste, um mehrere Becher Flüssigkeit zu erhaschen, deutlich abbremsen. Meine Rad fahrende „Führerin“ ,machte das Publikum in den gelegentlich vorhandenen malerischen Örtchen darauf aufmerksam, dass es sich bei mir um die erste Frau handelte, man jubelte mir besonders herzlich zu und ich versuchte, wenigstens ein besonders freundliches Gesicht zu machen. Ich hatte, wie schon beim Frankfurt-Marathon, 5 Tütchen PowerGel dabei, nach dem 3. bei km 25 aber das deutliche Gefühl, dass sich die 4.Tüte bei der Hitze den Weg wieder nach oben bahnen würde und daher die Kohlenhydratzufuhr vorsichtshalber eingestellt.  Was soll ich weiter erzählen, jeder, der schon mal einen Marathon gelaufen ist, wird sich vorstellen können, wie es war. Kein Schatten, elende Hitze, verschüttetes Wasser verdampfte sofort auf dem heißen Asphalt, mein Körper signalisierte, er habe längst genug von der Rennerei und könne auch gar nicht mehr, meine Zeiten bewegten sich auf die 5 Minuten pro Kilometer zu. Eine Läuferin hinter mir war nie in Sichtweite, die Sache mit der Bestzeit, möglichst in 3:20, hatte ich längst aufgegeben und bei km 35 gönnte ich mir eine Gehpause mit viel Wasser, was meine Stoppuhr mit über 6 Minuten für den Kilometer verbuchte. Jetzt noch mal alle Kräfte zusammennehmen, immer noch keine Konkurrentin hinter mir in Sicht, aber Koblenz  vor mir in Sichtweite und meine Radfahrerin meinte, ich sähe noch recht locker aus. In der Stadt näherte ich mich endlich der Zielgeraden, meine Füße fühlten sich an, als würden sie gleich platzen, aber das Ziel vor Augen, legte ich noch mal an Tempo zu. Dass das Jubeln des Publikums auf den letzten Metern mir gegolten hat, habe ich irgendwie bis heute nicht so recht realisiert. Hinter der Ziellinie stürzte ein fürsorglicher älterer Herr auf mich zu, bereit mich aufzufangen, aber ich winkte ab und begab mich, zwischenzeitlich mit einer Medaille versehen, zur ersten Wasserstation. Kaum fertig getrunken, war ich von einer Reihe Reporter umringt, auch Ralf hatte sich eingefunden und sah mächtig stolz aus. Ich beantwortete bereitwillig alle Fragen, habe nur noch eine vage Erinnerung daran, was ich alles erzählt habe. Zum Auto, umziehen, Kleidersack wieder ergattern und zum Ort der Siegerehrung direkt unter der Reiterstatue Wilhelms des Großen gehen. Hier liefen immer noch Läufer durchs Ziel, die Stimmung war großartig, es gab ein Zelt mit Musik-Band, etliche Buden mit Getränken und Eis, ein Sportlerbuffet, Musik und Moderatoren, die die gute Stimmung noch zusätzlich anheizten.  Die Siegerehrung selbst wurde von 3 wichtigen, offiziellen Herren durchgeführt, flankiert von 5 Weinköniginnen und einer Loreley. Allesamt äußerst hübsch anzusehende, junge Damen, teilweise ganz zeitgemäß mit Tattoo und Handy ausgestattet. Ich bekam einen unheimlich schweren Glaspokal und eine tolle Digitalkamera, später noch für den Altersklassensieg ein umfangreiches Pflegeset von SebaMed. Zwischen den beiden Siegerehrungen wurde ich noch zu einem Fernseh-Interview gebeten, plapperte munter drauflos und hoffte anschließend, nicht allzu viel dummes Zeug geredet zu haben. Als Resümee ist zu sagen, eine tolle, heiße Veranstaltung mit Superstimmung, 3357 Zieleinläufe beim Marathon, mehr als in Mainz, davon 568 Frauen. Mit meiner neuen  Bestzeit hat es doch noch geklappt, wenn auch knapp: 3:23:01. Meine bessere Hälfte behauptet, der Moment, in dem er erkannte, dass die erste Frau seine eigene war, wäre der aufregendste in seinem Leben gewesen. Trotzdem hat er sich die Bemerkung „ Ist ja toll, dass so eine alte Kuh noch einen Marathon gewinnen kann“ nicht verkniffen. Immerhin entstammte die zweitplazierte der Altersklasse W40 und die 3. ebenfalls meiner Altersklasse W45. Auch die Siegerin des Halbmarathons ist ein W45erin. Also Mädels, lasst Euch nichts erzählen, mit 45 fängt das Leben erst richtig an!

made by Irmgard ®, im Juni 2005